Hahnenschlagen

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Göttinger Tageblatt, vom 29. August 2000

Attrappe ersetzt stolzes Federvieh

Aufmerksam beobachtet von Vogelschützern und dem Kreisveterinär führten die Lippoldshäuser gestern ihr traditionelles Hahnenschlagen durch. Beanstandungen gab es kaum: Entgegen der Ankündigung, nach drei Jahren wieder einen lebenden Hahn ins Loch zu setzen, landete auch diesmal eine Attrappe in dem finsteren Gelass.

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Lippoldshausen. Die Regeln sind schlicht: Der mehr als 100 Jahre alte Brauch fordert von den Akteuren einen zügigen Marsch über die Wiese. Mit verbundenen Augen, den Dreschflegel geschultert, müssen sie einen Tontopf ansteuern, unter dem ein Hahn in einem Loch sitzt. Zwei Schläge von oben nach unten und ein horizontales Schwingen des Flegels werden ihnen zugestanden. Wer den Topf als erster zertrümmert, ist für ein Jahr Hahnenkönig. Ein vorheriges Drehen um die eigene Achse und ein Schluck Schnaps erschweren die Aktion.

Vor dem Wettbewerb musste allerdings die Grube erst geleert werden. Ein Vogelschützer hatte sich in das knietiefe Hahnenloch gestellt. Er und eine handvoll Mitstreiter räumten das Feld erst, nachdem der lebende Prachtgockel am Loch vorbeigetragen und im bereitstehenden Feuerwehrfahrzeug einquartiert war. Sein lebloses Gegenstück nahm schließlich den Platz des Vogelschützers ein.

Eine halbe Stunde dauerte das Spektakel, bevor Festwirt Walter Mehrhold aus Göttingen mit mächtigem Schlag den Topf zerdrosch. Der erste auswärtige Hahnenkönig? “Ich gehöre doch zur Familie”, sagt Mehrhold. Seit zehn Jahren bewirtet er die Lippoldshäuser bei der Kirmes.

Und während der neue König noch Freibier verteilte, stolzierte der Hahn, der so viel Wirbel verursacht hatte, bereits über eine feine Wiese am Ortsrand - umgeben von zwei Dutzend Hennen.