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Wildnisgebiete

 

Broschüre „Wegweiser Wildnis in Deutschland“ erschienen

Frankfurt/Berlin, 3.07.2017. Die Initiative „Wildnis in Deutschland“, die von 18 Naturschutzorganisationen, zu denen auch das Vogelschutz-Komitee zählt, hat die Broschüre „Wir für Wildnis“ herausgegeben. Mit diesem „Wegweiser zu mehr Wildnis in Deutschland“ unterstreichen die Verbände und Stiftungen mit elf gemeinsamen Positionen ihre Geschlossenheit im Bemühen, auch in Deutschland größere Gebiete zu entwickeln, die als sich natürlich weiter entwickelnde Lebensräume frei von Nutzungen und Einflussnahmen durch Menschen bleiben sollen. Diese Wildnisgebiete sollen  einen besonderen Schutz erfahren, um der freilebenden heimischen Tier-und Pflanzenwelt in der, durch fortschreitende intensive Landnutzung und durch die unaufhaltsame Klimaänderung bestimmten, Gegenwart das Überleben und die Erhaltung der Biodiversität für die Zukunft zu sichern.

 

Die Broschüre kann gegen Einsendung einer adressierten, mit 1,45 Euro frankierten DIN A4_Briefhülle auch beim Vogelschutz-Komitee bezogen werden.

 

Dr. E. Schneider



 


 









      „Wildnisgebiete“ auch in Deutschland

Vogelschutz-Komitee beteiligt sich an der großen Naturschutz-Initiative
Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie auch unter  http://wildnisindeutschland.de/wir-fuer-wildnis nachlesen

Warum bedarf es aktuell einer ungeheuren Anstrengung des Naturschutzes , „Wildnisgebieten“ den gehörigen Stellenwert im Alltag traditioneller Landnutzung und des Verbrauchs der Naturgüter einzuräumen? - Weil archaische, Ängste vor der „ungezähmten Wildnis“ uns trotz aller modernen Errungenschaften noch immer innewohnen. Diese uralten Ängste verstellen uns den Blick für das wahre Wesen der von Menschenhand unbeschädigten natürlichen Lebensräume und ihrer Vielfalt an biologischen Arten. Sie machen uns blind für die Erkenntnis, welche unersetzlichen Verluste an Naturpotenzial uns die „Zähmung“ der vormals „wilden“ Natur bereitet hat. Die irreparable Zerstörung von Lebensräumen (z.B. Moore) und die Ausrottung von Pflanzen- und Tierarten (z. B. Auerochse)

Die uns unbewusst bleibenden Ängste und die Gewohnheit, dass die Menschen sich in der Natur sprichwörtlich wie „die Axt im Walde“ gerieren, behindern uns in der unbefangenen Erkenntnis, dass „die Dinge dann richtig sind wenn sie darauf zielen, die Ungestörtheit, Stabilität und Schönheit der Lebensgemeinschaft zu bewahren, dass sie sonst in die falsche Richtung gehen“, wie es der amerikanische Altmeister des „Wilderness“-Konzeptes Aldo Leopold (1949: A Sand County Almanac, S. 262) ausdrückte.

LEOPOLD hatte als „game manager“ über lange Zeit es als eine Aufgabe der Nutzer von Lebensräumen und ihrer Tierbestände angesehen, die großen Beutegreifer Bär, Wolf, Luchs und Puma zu dezimieren, um die Bestände der bei den Jägern beliebten Jagdtiere zu fördern. Er meinte, aus der Anzahl dort lebender Hirsche, auf die ökologische Stabilität des jeweiligen Lebensraumes schließen zu können. Dann erkannte er aber, dass eine funktionsfähige, langfristig erfolgreiche Lebensgemeinschaft nicht ohne die Beutegreifer auskommen kann. Und er sah - schon in den dreißiger Jahren , dass wegen der allgemein sich immer weiter ausbreitenden und ständig intensiver werdenden Landnutzung der Fortbestand funktionsfähiger natürlicher Lebensgemeinschaften zunehmend gefährdet war.


Die Bildergalerie zeigt das ostpolnische Waldgebiet von Bialowieza mit etwa 1.500 km², davon aber 2/3 auf weißrussischer Seite. Es stellt das einzige vom Menschen nur wenig beeinträchtigte urwaldgleiche Wildnisgebiet Europas dar. Uralte Baumriesen prägen den Wald, der ausschließlich den natürlichen Entwicklungsprozessen belassenen ist. Seit etwa 600 Jahren wurde dort kein Holz eingeschlagen. Spuren der Zerstörung hat der zweite Weltkrieg hinterlassen. Seinerzeit war der von den Zaren für sich reservierte Waldkomplex ausschließlich dem Schutz und der Bejagung des Wisents vorbehalten; dieser wurde aber 1919 ausgerottet.  Im Jahr 1952 wurden zwei Bullen im Bialowieza Wald erfolgreich ausgewildert, im Jahr darauf zwei Kühe folgten, wurde 1957 das erste Wisentkalb in Freiheit geboren, und derzeit beläuft sich der Bestand auf über 1.000 Exemplare. Mit Wolf, Luchs, Biber Elch und Rothirsch sind unter den insgesamt 56 Säugetierarten, bis auf den dort ausgestorbenen Braunbär, alle zur natürlichen Lebensgemeinschaft gehörigen Säugetierarten präsent. Als „Naturwelterbe“ im Status eines von Eingriffen des Menschen freien, „strengen Schutzgebietes“ ist der Białowieża-Urwald beispielgebend für europäische Wildnisgebiete. Etwa 57.051 ha in der Kernzone des weißrussischen Nationalparks haben den Status „Wildnis-Partner“ im Netzwerk der europäischen Wildnis-Schutzgebiete. Wir danken Dr. Tilman C. Schneider, MSc. für die Bereitstellung der Fotos


So entwickelte er die „restoration biology“, als Grundlage für die Wiederherstellung von Lebensräumen, die durch die Einwirkung der Menschen beschädigt worden sind. Und er entwickelte das Konzept der Sicherung von Lebensräumen als „Wilderness“-Gebieten, die frei bleiben von jeglicher Nutzung der Naturgüter und dort vorkommender Pflanzen- und Tierbestände. Die jeweilige natürliche Lebensgemeinschaft mitsamt ihres Lebensraumes zu erhalten und ihrer ungestörten natürlichen Entwicklung zu belassen ist das Ziel.

Die Einflussnahme des Menschen , der in seiner Entwicklung keineswegs in der angeblichen „Harmonie mit der Natur“ gelebt und gewirkt hat, sondern sich stets in einem eher rücksichtslosen Existenzkampf gegenüber den Bedingungen der „ungezähmten“ Natur behaupten musste, hat zwar eine meist biologisch vielfältige Kulturlandschaft hervorgebracht. Aber der heutige „Naturnutzer“ hat das Maß für die Dinge verloren: Die Wahrung des eigenen Daseins in der Auseinandersetzung mit der Natur ist der unersättlichen Gier nach Land und dessen hemmungsloser Ausplünderung gewichen. Zu Lasten der biologischen Vielfalt, die durch Ausrottung unliebsamer Arten verringert wurde und wird. Wie wir es akut zum Artenschwund im zur Industrieödnis verkommenen Agrarbereich verzeichnen müssen. Aus dem “agrarindustriell“ genutzten „Offenland“ sind z.B. zahlreiche zur ursprünglichen intakten Lebensgemeinschaft gehörige Vogelarten verschwunden oder sie befinden sich aktuell in einem rapiden Bestandesrückgang. Die einst aus „gezähmter Wildnis“ durch Rodung der einstigen Urwälder und Kultivierung der Moore hervorgegangene vielfältige und artenreiche Kulturlandschaft geht mit zunehmendem Tempo in die falsche Richtung. Sie wird noch mehr zur maschinengerechten industriellen Produktionsstätte der artenarmen Monokulturen getrieben. Kaum anders die aus zerstörten Urwäldern zu monotonen Forsten entwickelten Wälder, die aktuell zur Stillung ungezügelten Energiehungers zu Holzplantagen verkommen sind. 

Weshalb wir unverzüglich alle Anstrengungen unternehmen und darauf zielen müssen, dass die Ungestörtheit, Stabilität und Schönheit der Lebensgemeinschaften gewahrt wird, Es ist die Verpflichtung unserer Generation, bestmöglichen Ersatz für Verlorenes zu schaffen. Noch können wir Gebiete neu entwickeln, in denen der Schutz eines „ungezähmten“, möglichst urlandschaftlichen, Areals vor den Einflussnahmen des Menschen im Vordergrund steht und allein bestimmendes Kriterium ist. Der, wie auch immer gearteten, Nutzung des Gebiets zu Zwecken der Befriedigung menschlicher Ansprüche ist dort kompromisslos eine klare Absage zu erteilen.

Im Wildnisgebiet müssen wir Verzicht leisten, unsere eigenen Ansprüche zurückstellen und die Lebensgemeinschaft um ihrer selbst willen erhalten.

Wir hinken mit diesen Bemühungen um die Entwicklung ungenutzter Wildnisgebiete der Erkenntnis LEOPOLDs weit hinterher. Leider gibt es bei uns keine ursprünglichen Lebensräume mehr! Jeder Quadratmeter Boden wurde mehrfach von Menschen beeinflusst und verändert. Weshalb unsere angestrebten Wildnisgebiete zunächst nur „Sekundärbiotope“ sein können und erst im Laufe langer Zeit der Ungestörtheit die ihnen zugehörigen Lebensgemeinschaften hervorbringen können. Wie diese Lebensgemeinschaften dann auch zusammengesetzt sein werden, welche der uns heute vertrauten Arten ihnen angehören werden und im Artenspektrum ihre Funktion in der Biodiversität erfüllen werden, das bleibt dahingestellt. Wir können das nicht vorherbestimmen und müssen die natürliche Entwicklung im evolutionären Kräftespiel, dem natürlichen Wettstreit der Arten geduldig und ohne eigene Begehrlichkeiten, ohne jedwedes Eingreifen, „Planen“ und „Verwalten“ abwarten.

Das Ziel der Wildnisentwicklung ist aktuell hoch gesteckt, insbesondere soweit dies die formulierten Flächengrößen anbetrifft. Es ist sicher unumgänglich, gerade beim Blick auf Tierarten mit großen mobilen Exemplaren bei großem Raumbedarf, wie etwa Elch, Luchs oder Wolf hinreichend große Wildnisräume zu entwickeln. Ob wir hierzulande, wo die Gebietsgrenzen überall an die anthropogen genutzten Areale stoßen werden, etwa dem Wisent als größtem einheimischen Wildtier die für die Ausformung langfristig überlebensfähiger Herden genügend ausgedehnte Gebiete verfügbar machen können, sei dahin gestellt. Es darf aber andererseits kein unumstößliches Dogma sein, dass „Wildnis“ sich allein in mehr als tausend Hektar umfassenden Gebieten entwickeln könne. Auch ALDO LEOPOLD sah das weniger streng; wenngleich auf dem nordamerikanischen Kontinent Flächen ganz anderer Dimension für „wilderness“ verfügbar waren und sind, hat er keineswegs besondere Flächengrößen postuliert. Wildnis bedarf zwar großräumiger Ungestörtheit, sie kann sich aber fallweise auch kleinräumig entwickeln. Entscheidend ist die Ungestörtheit vor der Inanspruchnahme oder irgendwelcher Nutzung durch Menschen. Diese Enthaltsamkeit gegenüber den Nutzungsbedürfnissen ist unerlässlich. Soll aber die Idee von Wildnisgebieten in unserem Land sich letztlich nicht als illusorisch und unerfüllter Traum erweisen weil man die Anforderungen an die jeweiligen Flächengrößen zu hoch gesetzt hat, darf die, vielleicht etwas praxisfern, artikulierte Gebietsgröße eher nur ein anzustrebender Richtwert sein. Entscheidend ist die Chance, die eine Lebensgemeinschaft zur ungestörten „wilden„ Entwicklung in ihrem Lebensraum erfährt. 

Wildnisgebiete bewahren die biologische Vielfalt, der wir den nötigen Respekt zollen müssen.

Weshalb das Vogelschutz-Komitee das in seinem Eigentum stehende moorige Waldgebiet „Der Zarth“ bei Treuenbrietzen jetzt durch aufwändige Biotop restaurierende Maßnahmen in die Lage zur Moorregeneration versetzt hat. Bei Unterlassung aller wirtschaftlichen Nutzung und sonstiger Einwirkung soll sich fast 300 ha Waldgebiet ungestört als „Wildnis“ entwickeln.

Insbesondere wegen der ungewissen Zukunft, die uns der ja schon längst eingetretene und nicht mehr abzuwendende Wandel des Klimas bereitet, bedarf es der Bereitstellung von Wildnisgebieten, in denen die biologischen Arten, ob Pflanzen, Tiere , Pilze usw. in ihrem biologischen Potenzial und in der Befähigung zur Anpassung an neue Herausforderungen ihrer Umwelt und Lebensbedingungen sich evolutiv behaupten können. Anders wird das wunderbare Konzept der „Biodiversitätsstrategie“ sich als betrüblicher „Flop“ erweisen, der unserer Nachwelt eine durch Artenarmut gekennzeichnete, ausgeplünderte Umwelt hinterlässt.  

Dr. Eberhard Schneider  

Im Vsk-eigenen Schutzgebiet „Der Zarth bei Treuenbrietzen“ hat die Entwicklung von „Wildnis“ eine Chance.





Frankfurt/Berlin/Hamburg/München (ots) – www.wildnis-in-deutschland.de ist die neue Webseite mit allem, was man zu Wildnis in unserem Land wissen muss. Das Portal wendet sich an diejenigen, die das Thema „Wildnis“ in Deutschland voranbringen wollen und gibt ihnen Argumente, Hintergründe und Material an die Hand.
http://www.blogspan.net/presse/wildnis-in-deutschland-alles-wichtige-auf-einen-blick/mitteilung/1100495/


Presseinformation der Gregor Louisoder Umweltstiftung

 

3. Nationalpark Bayern: Debatte nicht einzelnen Lokalpolitikern überlassen - neue Infoseite und breites Expertennetzwerk stehen für Bürger und Medienanfragen zur Verfügung


Nachruf Ekkehard Hinke


Linum: 21.Juli 2017:

Unter großer Anteilnahme seines weiten Freundeskreises fand heute auf dem Friedhof Hennigsdorf die Beisetzung von Ekkehard Hinke statt. Er war nach kurzer Krankheit im Alter von 78 Jahren verstorben.
 
Der aus Linum gebürtige „Kranichekke“, wie ihn seine Freunde und Bewunderer seines unermüdlichen Einsatzes für die Vogelwelt und den Naturschutz im Rhinluch nannten, hatte sich ganz besonders dem Kranichschutz verschrieben.
Ihm ist wesentlich zu verdanken, dass unter nötigen Schutzmaßnahmen, wie das Betretungsverbot in den Schlafplatz- und Nahrungsbereichen der Kraniche während des Kranichzuges, der im Rhinluch gelegene Rastplatz zu einem sehr bedeutenden „Trittstein“ im internationalen Vogelzug entwickelt wurde. Ekkehard Hinke organisierte und leitete die jeweils durchgeführten „Zählungen“ der im Rhinluch rastenden Kraniche. Er kannte alle tagsüber von den großen Vögeln zur Futtersuche benötigten Bereiche; er wirkte dort erfolgreich, mit freundlicher Information und Weitergabe seines Fachwissens, auf Besucher ein, um diese vom Betreten der Felder abzuhalten und Störungen der dem Nahrungserwerb nachgehenden Kraniche abzuwenden. In derselben Absicht bot er Führungen und Rundfahrten im eigens dafür beschafften Kleinbus an, bei denen er zahlreichen ortsunkundigen Besuchern und Vogelfreunden zu hervorragenden und unvergesslichen Naturbeobachtungen verholfen hat. Wozu auch sein, von Bescheidenheit und großer Menschlichkeit geprägtes, freundliches Auftreten und seine hohe soziale Kompetenz beitrugen.
 
Geduldig verbrachte Ekkehard Hinke viele Stunden damit, durch das Spektiv die Beine tausender auf den Feldern stehenden Kraniche auf die farbigen Ringmarkierungen abzusuchen, um daraus die Hinweise auf deren Herkunft zu beziehen. Hinkes Beobachtungen verdanken wir insbesondere die Kenntnis, dass der „Trittstein“ im Rhinluch sowohl von Kranichen aus Finnland, Schweden, Polen und dem Baltikum aufgesucht wird, als auch von solchen aus den zunehmend zahlreicheren heimischen Bruten in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, wo sie, zumeist als Jungvögel, vormals beringt worden waren.
 
„Kranichekke“ ließ es sich nicht nehmen, jeweils während des Frühjahrszuges den Kranichen nach Skandinavien zu folgen und auf den dortigen Sammelplätzen deren Balz zu beobachten. Aber er war nicht einseitig interessiert; er war ein wirklich guter Feldornithologe mit breiter Kenntnis der Vogelarten. Doch auch Erhaltung, Entwicklung und Schutz der Lebensräume waren ihm ein, in tiefem Naturverständnis verwurzeltes und von breiter Sachkunde getragenes, Anliegen. So hat er auch zahlreiche Reisen in ferne Länder unternommen und andere Habitate und Vogelarten kennengelernt. Im Bewusstsein um die Erfordernis der Habitaterhaltung für das breite Artenspektrum der Lebensgemeinschaft  im  Rhinluch hat er auch  in zahlreichen „Arbeitseinsätzen“ im Linumer Teichland und im Kremmener Luch mitgewirkt und maßgeblich zu den Biotop erhaltenden Maßnahmen im Rhinluch beigetragen.
 
Ekkehard Hinkes Tod stellt einen großen Verlust für den Vogelschutz dar, insbesondere den Kranichschutz und den Naturschutz im von ihm so sehr geliebten „Kranichland“ im Rhinluch. Das Vogelschutz-Komitee schuldet ihm unendlich großen Dank! Die Lücke, die er auch in unserer Mitgliedschaft hinterlässt, wird praktisch nicht zu schließen sein. Es wird überhaupt schwer sein, einen gleichwertig kompetenten Partner der Natur- und Vogelwelt zu finden.

Wir können uns nur bemühen, sein Naturschutzerbe würdig zu verwalten. – Mit dem Ableben von Ekkehard Hinke ist die Welt wieder um ein Stück ärmer geworden!

Dr. Eberhard Schneider

Kranichekke
(Ekkehard Hinke - im grünen Pulli - ließ es sich nicht nehmen, mit einer "Kranichtorte" zum Geburtstag zu gratulieren (18. Mai 2017  : im Bild links Hinkes langjähriger Weggefährte Karl-Heinz Sass,  rechts VsK-Schatzmeisterin Katrin Stahl, Eberhard Scheider)

Kranichtorte
(Geburtstagstorte - ganz "Kranichekke")

 

Naturschutzverein Schlickfall

Naturschutzverein „Schlickfall“ e. V. - Verein für Natur und Wildnis

Ein nicht unerheblicher Anteil an den Erfolgen des Vogelschutz-komitees  im Schutz der Vögel und ihrer Lebensräume ist der schon langjährig gepflegten Kooperation mit befreundeten Naturschutzverbänden geschuldet. Diese Zusammenarbeit hat sich bewährt und erhebliche Synergieeffekte gezeitigt.  Gedanken- und Informationsaustausch, gemeinsames Auftreten zur zielorientierten Umsetzung von Vorhaben und nicht zuletzt bei der Bewältigung der Kostenlast kennzeichnen die fachlichen Partnerschaften und deren Erfolge;  so wie selbstverständlich auch Rückschläge oder gar Misserfolg gemeinsam leichter bewältigt werden. 

Die am weitesten zurückreichende Kooperation besteht mit dem in Hamburg-Finkenwerder ansässigen und hamburgweit tätigen Naturschutzverein „Schlickfall“ e. V. - Verein für Natur und Wildnis.  Dieser ebenfalls unabhängige Verein widmet sich insbesondere dem Schutz, der Biotoppflege und der naturschutzfachlichen Entwicklung der Naturschutzgebiete „Westerweiden“ und "Finkenwerder Süderelbe" mit ihrer reichen Vogelwelt. Gleichermaßen richtet sich die Tätigkeit auf allfällige Biotopschutzmaßnahmen, in der Freien und Hansestadt, Hamburg; vor allem im Bereich der Elbe sowie im Zusammenhang mit den ständig neuen Infrastrukturmaßnahmen wie Hafenerweiterung, Siedlungsanbau und Verkehrswegeplanungen. Dabei gehen die „Schlickfaller“ unbeirrt und unbestechlich ihren mühevollen Weg, um das Schlimmste und großes Unheil der geplanten Biotopzerstörungen abzuwehren. Wobei sie nicht ganz erfolglos sind!

Dr. Eberhard Schneider

Heute berichten Petra Denkinger und Jan Mewes aus dem ihnen besonders angelegenen
NSG Westerweiden“: 




"Der Naturschutzverein Schlickfall ist seit über 30 Jahren in Hamburg für die wildlebenden Tiere und Pflanzen aktiv. Das Vogelschutzkomitee und der Naturschutzverein Schlickfall unterstützen sich gegenseitig bei ihrer Arbeit.

In dem seit wenigen Jahren wieder  vom  Seeadler bewohnten Naturschutzgebiet in Hamburg-Mitte wurden, vorausschauend und in Erwartung einer Wiederbesiedlung durch unsere größten heimischen Adler,  bereits seit Jahren einige potenzielle Seeadler-Brutbäume vor der Fällung bewahrt. Außerdem konnten durch Gespräche mit Anwohnern und Erholungssuchenden Verständnis und Zustimmung  zu den Schutzbemühungen entwickelt werden;  durch häufige Präsenz und Kontrolltätigkeit vor Ort konnten die Störungen im Gebiet (illegales Betreten der sensiblen Bereiche) im Laufe der Jahre minimiert werden.

Die hartnäckige Vorarbeit hat sich gelohnt: Im Jahr 2013 errichtete ein Seeadlerpaar in einer, gerade noch vor der drohenden Fällung geretteten, Silberweide seinen Horst. Unter der intensiven Betreuung des Brutgebiets durch Vereinsmitglieder konnten dort bisher zwei erfolgreiche Bruten stattfinden aus denen insgesamt 3 junge Seeadler hervorgingen.

Leider starb im Frühjahr 2016 der männliche Seeadler durch die Kollision mit einer Windenergieanlage. Ein neuer Partner stellte sich aber bereits wenige Wochen später am Horst ein und wurde von dem Weibchen als neuer Partner akzeptiert. Aber in diesem Frühjahr (2017) kam unerwartet das Weibchen zu Tode. An dem einer veterinärmedizinischen Untersuchung zugeführten Vogel konnte zwar ein von Vogelschützern befürchteter  Abschuss, Fallenfang oder Vergiftung ausgeschlossen werden. Die Todesursache bleibt aber letztlich ungeklärt und ist, möglicherweise in einer Infektionskrankheit zu vermuten.

Mittlerweile hat sich dem verwitweten Männchen eine neue Partnerin zugesellt. Ihre Herkunft ist unklar, da sie nicht beringt ist.

Man kann die Seeadler auf ihrem Nest kann man praktisch täglich jeden Tag wunderbar von außerhalb des Naturschutzgebiets beobachten. Sie fühlen sich augenscheinlich sehr wohl an der Elbe. Man muss diesen eleganten Großvögeln nur ein gewisses Maß an Störungsfreiheit zubilligen."

Dr. Petra Denkinger, Jan Mewes


Wandertaube

Die Wandertaube und andere Opfer der Artenvernichtung

01.September 2014

In diesem, durch mehrere „Jahrestage“ einiger unguter Ereignisse geprägten, Jahr sollte mit Blick auf die Bewahrung der Biodiversität, der biologischen Vielfalt, auch ein Gedenken an eine Vogelart einen gebührenden Platz finden. Denn auch die Vogelwelt hat einen betrüblichen Jahrestag: Am 1. September um 13 Uhr sind genau 100 Jahre vergangen, seit im nordamerikanischen Zoo von Cincinnati im US-Staat Ohio das letzte Exemplar der nordamerikanischen Wandertaube, man hatte sie „Martha“ genannt, im Alter von 29 Jahren verstarb. Man hatte seinerzeit noch versucht, die nahezu ausgestorbene Art durch Nachzucht in Gefangenschaft zu erhalten. Doch diese Tauben züchteten nicht in den Käfigen.

„Martha“ war die letzte ihrer Art! Und sie ist zugleich ein mahnendes Symbol für den Artenschwund und Verlust biologischer Vielfalt auf der Erde. Diese Taubenart, deren Individuen etwa die Größe der bei uns heimischen Ringeltaube hatten, aber in ihrem mehr lebhaft gefärbten Gefieder etwas schlanker und anmutiger erschienen als ihre europäische Schwester, ist unwiederbringlich verloren.

Leider wurde die Wandertaube ausschließlich durch das Wirken des Menschen vernichtet, der lediglich ein paar klägliche Museumspräparate dieser Art übrig gelassen hat. Rücksichtslose Verfolgung dieser Wildtaubenart hat ihre Ausrottung in einem erschreckend kurzen Zeitraum von kaum mehr als einem halben Jahrhundert bewirkt.

Bereits im Jahr1900

war die letzte freilebende Wandertaube abgeschossen worden und seit 1902 wurde kein einziger Vogel dieser Art mehr in freier Wildbahn beobachtet. Dabei stellte die Wandertaube einst nicht nur die häufigste Vogelart Nordamerikas dar, sondern nirgends auf der Erde gab es einen vergleichbar häufigen Vogel. Man schätzt, dass einst bis zu 5 Milliarden Wandertauben weite Gebiete des südlichen Kanada und der USA östlich der Rocky Mountains bevölkert hatten, deren Gesamtverbreitungsgebiet bis zum Golf von Mexiko reichte. Die Schwärme dieser zu den Zugvögeln zählenden Taubenart waren nach den Aufzeichnungen berühmter amerikanischer Naturforscher riesig: Mit bis zu kaum vorstellbaren 1,5 Milliarden Vögel in nur einem Schwarm! Tagelang zogen die ziehenden Tauben vorüber und haben regelrecht die Sonne verdunkelt. Sogar etwa 3,5 Milliarden Tiere hat wohl, so die heutigen Schätzungen, ein einziger Schwarm umfasst, der um 1860 nahe der kanadischen Stadt Toronto auf seinem tagelang währenden Zug nach Süden gesichtet wurde. Doch: Nur 40 Jahre später war die Art ausgestorben – ausgerottet!

Nach dem aktuellen Wissensstand müssen wir erkennen, dass in den letzten 500 Jahren weltweit mindestens 133 Vogelarten ausgestorben, für immer von der Erde verschwunden sind. Eines der berühmtesten Beispiele ist da der fast ein Meter große Dodo (=Dronte) aus Mauritius, ebenfalls ein Taubenvogel, dessen flugunfähigen Individuen bis zu 20 kg schwer wurden. Diese Art hatte sehr große Verluste erfahren durch die von Menschen auf der Insel eingeschleppten Wanderratten, Hausschweine und auch Affen. Aber wesentlich wurde der Untergang der Spezies innerhalb eines Jahrhunderts herbeigeführt durch die Bejagung und Verfolgung der wenig fluchtfähigen und deshalb leicht zu erbeutenden Tiere: So dass bereits um 1690 diese afrikanische Taubenart infolge der unerbittlichen und rücksichtslosen Verfolgung ausgerottet war. Als weiteres Opfer menschlicher Gier und gnadenloser Verfolgung der Wandertaube erfuhr dann eine weitere Taubenart die, durch hemmungslosen Raubbau an einem „Naturgut“ bedingte, Ausrottung.

Das Artensterben hält an

Welche Lehre zog aber der Mensch aus diesem Verlust der einmaligen Ergebnisse der Schöpfung, der Evolution, welche jede einzelne Art darstellt? Derzeit werden weltweit unglaubliche 1.226 Vogelarten als vom Aussterben bedroht eingestuft, von denen mindestens 190 als hochgradig gefährdet gelten. Somit sind etwa zwei Prozent aller weltweit bekannten Vogelarten akut vom Aussterben bedroht. Wobei wir alle die Verantwortung zu tragen haben wenn wieder einen Art verloren gegangen sein wird anstatt ihr allen nur möglichen Schutz, einen Opferschutz, angedeihen zu lassen!

Zwar stellt „das Kommen und Gehen“ der biologischen Arten einen Bestandteil der Evolution dar, der natürlichen Entwicklung der Arten. Aber solche evolutiven Vorgänge laufen über sehr, sehr lange Zeiträume ab. Hingegen war das, was das Verschwinden der vielen Milliarden amerikanischen Tauben in kaum mehr als einhundert Jahren zur Folge hatte, allein vom Menschen verursacht! Es waren wohl auch die Auswirkungen der auf dem amerikanischen Kontinent fortschreitenden Lebensraumzerstörung. Wie etwa die Rodung der großen Laubwaldgebiete, in denen sich die riesigen Brutkolonien der Wandertauben befanden, die jeweils bis zu mehreren hunderttausend Brutpaaren (!) umfasst haben. Die fortschreitende Erschließung des Landes durch Eisenbahnen und Verkehrswege, Siedlungen und die Errichtung hoher Gebäude (an welche ziehenden Schwärme anprallten!), sind vom Menschen verursachte Faktoren, die zum Lebensraumverlust der Wandertaube beigetragen haben; so wie viele anderen Formen der anthropogenen Landnutzung.      

Man mag es ja nicht glauben, dass eine so häufige Vogelart mit einem viele Milliarden Tiere umfassenden Bestand in so kurzer Zeit von der Erde verschwunden ist. Doch, das ist sicher, der wesentliche Grund dafür waren die von den Menschen verübten Massaker, denen die Art nicht standhalten konnte. Zwar hatte die Wandertaube zwei brutbiologische Besonderheiten aufzuweisen, in der Gründe für ihr trauriges Schicksal gelegen haben könnten: einmal die geringe Reproduktionsrate mit jährlich nur einem Jungen pro Taubenpaar und zum anderen das Brüten in den riesigen Kolonien. Worin aber unter den natürlichen Bedingungen ja gerade der Erfolg der Art begründet war, über den Lauf der Zeiten einen Milliardenbestand aufzubauen. Diese Fortpflanzungsstrategie hatte sich seit Urzeiten bewährt. Doch die hemmungslose Verfolgung durch Menschen hat dies binnen kürzester Zeit zunichte gemacht. – Die einheimischen Indianer hatten wohl auch die Wandertauben als Nahrungsquelle zu schätzen gewusst. Aber sie waren diesen Vögeln in Mythen, Erzählungen, Tänzen usw. eng verbunden, und die Einbuße durch Entnahme von Wandertauben zu eigener Ernährung hat dem Milliardenbestand keine Beschädigung zugefügt. Die durch diese Subsistenzjagd jeweils verursachten Verluste wurden in der nachfolgenden Brutsaison leicht wieder ausgeglichen.

Hingegen verübten die zur Zugzeit sich einfindenden Heerscharen von „Jägern“ mit ihren Schießgewehren rücksichtlose blutige Massaker, wenn sie tagelang gnadenlos auf die ziehenden Schwärme ballerten. Es ist überliefert, dass im Jahre 1878 in einer riesigen Brutkolonie mehr als 10 Millionen Tauben getötet wurden, die Kolonie vernichtet. So haben Schießer binnen weniger Jahrzehnte der Art den Garaus gemacht! Tonnenweisewurde diese Jagdbeute – oder eher: das Ergebnis hemmungsloser Gier und Lust am Töten – in Güterzugwaggons diese Jagdbeute in die großen Städte verbracht und als billiges Fleisch konsumiert. Zur Brutzeit schlug man mit Stöcken die Jungen aus den Nestern oder räucherte sie aus; damit man diese unschuldigen Opfer der Gier ebenfalls wieder als Billigfleisch vermarktete. Oder man trieb Mastschweine in die Wälder, damit sie sich an den von den Bäumen geschüttelten Jungtauben laben konnten …. !

Zwar wurde es registriert, dass in wenigen Jahren der Taubenbestand massiv kleiner wurde; aber beendet wurden die Massaker nicht – und dann war es zu spät. Die Wandertaube konnte ob ihrer Besonderheiten in der Brutbiologie, in der die immense Anzahl von Artgenossen in der Brutkolonie wohl einen Schlüsselfaktor dargestellt hat, nicht einmal in Gefangenschaft nachgezüchtet werden. Und so starb mit „Martha“ nach nur einem nur halben Jahrhundert der rücksichtslosen Verfolgung diese zuvor so unglaublich häufige Vogelart aus.

Verpflichtung zum Artenschutz

Ich meine, der Todestag von „Martha“, der letzten Wandertaube, muss uns alle sehr nachdenklich machen. So schnell verschwindet eine vormals so häufige Art für immer von der Erde! Weil der Mensch rücksichtslos mit Naturgütern umgeht, sie plündert und vernichtet. Und wir sehen einmal mehr, dass insbesondere die direkte Verfolgung („Jagd“ mag ich das gar nicht mehr nennen!) und blutige Gemetzel neben der Lebensraumzerstörung ursächlich ist für Dezimierung und Verlust der Arten. Darum sollte der zum einhundertsten Male sich jährende Tag des durch ihr letztes Opfer-Exemplar präzise dokumentierten Verschwindens der Wandertaube für uns die besondere Verpflichtung markieren: Dass wir uns mit allen Anstrengungen einsetzen gegen die ständig fortschreitende Lebensraumzerstörung und gegen die hemmungslose Verfolgung. Was wir wirksam als dem Vogelschutz verpflichtete „Nicht-Regierungs-Organisation“ (NRO / NGO) erreichen können durch den Ankauf von Grund und Boden, um auf diesen Schutzflächen dauerhaft Habitate zu bewahren. Zugleich aber müssen wir intensiv gegen jede Form der Verfolgung vorgehen.

Eine weitere Art in Gefahr: Die Turteltaube

Wir müssen weiter auf das generelle Verbot jeglicher Jagd auf Vögel hin arbeiten – EU-weit! – und insbesondere weiterhin intensiv gegen Wilderei an der Vogelwelt und den illegalen Handel mit Wildvögeln vorgehen. Denn die Wandertaube ist nur eines der zahlreichen Beispiele. Bleiben wir bei den Tauben: Zurzeit können wir zwar noch die Turteltaube in weiten Teilen ihres europäischen Verbreitungsgebiets antreffen. Doch droht dieser vor gut hundert Jahren fast überall häufig vorkommenden Taubenart womöglich ein ähnliches Schicksal wie der Wandertaube. Aber seit gut dreißig Jahren werden aus verschiedenen Gebieten wie Großbritannien, Frankreich oder Rumänien Bestandseinbrüche mit einem Rückgang um mehr als 50% berichtet. Europaweit beläuft sich zwischen 1980 und 2010 die Abnahmerate des Turteltaubenbestands auf 73%. Die Art verschwindet aus weiten Teilen der europäischen Landschaften.

Wesentliche Ursachen dafür dürften in der Lebensraumveränderung infolge der agrarindustriellen Feldbewirtschaftung liegen, welche das Verschwinden der aus allerlei „Unkräutern“ bestehenden Nahrungspflanzen zur Folge hat. Die immer mehr in der Monotonie nur weniger Pflanzenarten der Agrarkulturen verödenden Feldfluren liefern diesen Tauben nur noch bedingt passende Nahrung aus Weizen- Raps- oder anderen Getreidesamen und damit nur ein stark eingeschränktes Auskommen für diese Vögel. Das großräumig immer geringer werdende Nahrungsangebot scheint Veränderungen im Brutgeschehen zur Folge zu haben. Brüteten ehedem die Turteltauben meist drei bis viermal in einer Brutsaison, so finden derzeit nur ein bis zwei Brutversuche statt. Das lässt den starken Bestandsrückgang erklären. Denn statt ehedem 6 – 8 Junge vermag ein Paar nur noch 2 – 4 Küken hervorzubringen, was wegen der natürlichen Verluste kaum ausreicht, den Bestand also solchen zu erhalten.

Aber auch die jagdliche Verfolgung dieser Taubenart, deren Individuen als Zugvögel nur etwa ein halbes Jahr bei uns leben und zur Überwinterung in verschiedene afrikanische Räume ziehen, trägt in hohem Maße zu dieser betrüblichen Bestandsentwicklung bei. Zwar ist die Turteltaube durch die EU-Vogelschutz-Richtlinie von 1979 geschützt. In einigen EU-Mitgliedsstaaten, nämlich Österreich, Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, Malta, Griechenland, und Zypern, ist jedoch die Jagd weiterhin erlaubt. In anderen Ländern werden diese Tauben auch illegal abgeschossen; und die Kadaver sollen sogar für „Vogelpastete“ nach Italien und Malta geschmuggelt werden! Der Jagd zu reinen Sport- und Vergnügungszwecken fallen jährlich geschätzte 2 bis 3 Millionen Turteltauben zum Opfer. Bei einem Brutbestand von geschätzten 3 bis 6 Millionen Brutpaaren in Europa und Russland, die kaum noch halb so viele Junge pro Jahr hervorbringen und aufziehen können wie vor etwa einhundert Jahren, ist dieser jagdlich bedingte Aderlass zweifelsfrei als massiv wirkender Faktor einzustufen. Dessen Auswirkungen natürlich mit weiterer Verschlechterung des Zustands des Gesamtbestandes immer stärker spürbar werden und den Abwärtstrend bei dieser Art beschleunigen.

Zwar fordert die Vogelschutz-Richtlinie, so auch andere internationale Artenschutzkonventionen, dass eine Bejagung einer ziehenden Vogelart nur akzeptabel und zulässig sei, wenn sie nicht eine Verschlechterung des Gesamtbestandes bewirkt. Doch wird diese Forderung der EU-Richtlinie zur Farce, da niemand den tatsächlichen Bestand dieser Zugvogelart kennt, man nicht weiß welche widrigen Faktoren der Lebensraumveränderung und der Jagd, auch in den afrikanischen Überwinterungsgebieten, negativ auf den Bestand einwirken. Und von Seiten der EU wird trotz der Kenntnisse um den bedrohlichen Zustand nichts unternommen, diesen immer wieder als zweifelsfrei bestandschädigend erwiesenen Faktor auszuschalten und in allen EU-Staaten die Jagd auf Turteltauben endlich zu untersagen. – Damit nicht irgendwann wieder eine „Martha“ als letztes Opfer ihrer Art als Museumspräparat an den gewissenlosen Raubbau erinnert!

Kandidat: Die Ringeltaube

Die im Gegensatz zur zierlich kleinen, bis 160 g schweren, Turteltaube eher robuste und große (bis 600 g) Ringeltaube besitzt ein weites Verbreitungsareal über die bewaldeten Regionen in Europa bis nach Asien. Auf 30 – 70 Millionen schätzte man vor gut 20 Jahren den Weltbestand; in Europa auf 18 – 34 Millionen. Aber was ist das gegen die einstigen Milliarden Wandertauben?

Ringeltauben sind oftmals auch in Parks, Grünanlagen und Hausgärten usw. anzutreffen, auch schreiten sie dort zur Brut. Mit bis zu 6 Gelegen im Jahr, mit jeweils 2 Eiern darin, bringen sie mehr Junge hervor als die anderen Tauben. Aber die natürlichen Verluste sind hoch. Ringeltauben sind weniger ausgeprägte Zugvogel; gebietsweise bleiben sie auch das ganze Jahr, andere ziehen nur bedingt als Teilzieher und wieder andere sind Kurzstreckenzieher. Dennoch ziehen große Ringeltaubenschwärme im Winterhalbjahr unter Umgehung hoher Gebirge nach Süden und Südwesten und große Schwärme überqueren die Meerengen und die Gebirgspässe, z. B. die der Pyrenäen.  

Es ist unglaublich, was sich dort alljährlich abspielt, wenn sowohl französische wie spanische Jäger mit halbautomatischen Flinten in die ganz niedrig über die Bergpässe streichenden Schwärme hineinballern – ähnlich wird es einst in Nordamerika gewesen sein! Große Netze stellt man auf und mit Lockvögeln bestückte Baumfallen; keine Methode ist zu heimtückisch, um die hemmungslose Gier auszutoben und die vorbeiziehenden Schwärme zu dezimieren. Gerade die französischen Jager waren es auch, die schon um die jahrtausendwende Klage führten über den Rückgang auch bei den Ringeltauben. Sie bestätigten ungewollt das, was die Feldornithologen schon seinerzeit festgestellt haben: dass auch der europäische Ringeltaubenbestand sich im Rückgang von mehr als 25% befindet.

Wenn man den geschätzten deutschen Bestand von ca. 2,4 Millionen Brutpaaren betrachtet und dem die in Deutschland getätigten Jagdabschüsse von bis fast 1 Mio. Exemplaren – allein in NRW um ½ Mio. pro Jahr! Gegenüberstellt, dann lässt das nichts Gutes für auch diese Taubenart erwarten. Die Ringeltaube hat ohnehin eine natürliche Sterblichkeit von zirka 50%; da kann das hemmungslose Abschießen nur in einer Katastrophe für diese Vogelarte enden. Wird auch die Ringeltaube Opfer der Verfolgung?

Mehr Vogelschutz tut not!

Lassen wir uns nicht täuschen! Auch eine heute recht häufige Vogelart (nicht nur die Vögel!) kann „morgen“ schon selten und „übermorgen“ ausgestorben sein. Wie es das Beispiel der Wandertaube grausam aufzeigt.

Die Vögelhaben weltweit unter allen Tiergruppen wohl die größte „Fangemeinde“. Sie sind beliebt bei Jung und Alt, bei Laien wie bei Fachleuten. Man erfreut sich an ihrem Gesang, an ihrem oftmals farbenprächtigen Gefieder und vielfach auch an besonderen Verhaltensweisen. Der Vogelzug, bei dem manche Arten zweimal jährlich Entfernungen von tausenden Kilometern zwischen ihren Brutgebieten und den Überwinterungsgebieten bewältigen, und das nicht nur bei solchen Arten mit körperlich großen Individuen, ist eines der faszinierenden Phänomene in der Biologie der Vögel. Dies sowohl wegen der unglaublichen körperlichen Leistungen der Tiere als insbesondere auch wegen ihres Orientierungs- und Navigationsvermögens. Aber auch die vielfältigen Funktionen der Vögel in ihren Lebensgemeinschaften und Ökosystemen bieten noch viele ungeklärte Fragestellungen und bergen so manches Geheimnis. Unter den Vögeln finden sich sehr viele Arten, bei denen die Individuen über ein großes Lernvermögen und viele andere Tiere übertreffende Sinnesleistungen verfügen. Vögel üben deshalb auf so viele Menschen eine unbeschreibliche Faszination aus.

Das ist dann aber auch ein Grund, weshalb Vögel oftmals zumOpfer der egoistischen Begierden oder Rücksichtslosigkeit der Menschen werden. Wohl haben Menschen so mancher Vogelart Gutes angedeihen lassen; sei das ein weit übernatürlich hohes Nahrungsangebot auf landwirtschaftlichen Kulturen oder die Möglichkeit der Besiedlung von Gebäuden, die als Ersatz für sonst fehlende natürliche Nistgelegenheiten genutzt werden (Schwalben, Weißstorch, Schleiereule, Sperlingen u.a.). Doch sind Nachstellungen und Verfolgung so mancher Vogelart so unglaublich weit verbreitet, dass da eine gewaltige Dissonanz gegenüber der allgemeinen Beliebtheit der Vögel zutage tritt.

Opfer werden Vögel in einem seit Jahrzehnten zunehmenden Ausmaß durch Kollision mit technischen Einrichtungen, insbesondere mit Glasscheiben an Gebäuden, was mit der gravierenden Zunahme der Verwendung dieses Baustoffs an wahren „Glaspalästen“ stetig mehr Verluste unter den Vogelbeständen zeitigt. Besonders gravierend ist das wenn die noch unerfahrenen Jungvögel ausfliegen oder wenn auf dem Zug ortsfremde Tiere nicht mit den Hindernissen vertraut sind. Vögel kollidieren mit den immer schneller dahin eilenden Fahrzeugen auf unseren Straßen, mit Zügen und Flugzeugen. Es ist ein Millionenheer, das allein hierzulande an Todesopfern aus der Vogelwelt zu beklagen ist. Doch damit nicht genug: In einem ideologischen Irrlauf, im Zuge der unbestritten erforderlichen „Energiewende“ (die allerdings zunächst die Senkung der Energieverschwendung avisieren sollte!), hat sich in kurzer Zeit ein immenses Opferpotenzial für die Vogelwelt (und nicht zu vergessen: die Fledermäuse und Insekten) in Form der riesigen Windgeneratoren entwickelt, welche inzwischen allein bei uns in hoher fünfstelliger Anzahl zu Lande und nun auch zu Wasser ihre Massenvernichtung unter den flugfähigen Organismen verrichten. Selbst die Wälder bleiben nicht verschont, in denen man Kahlschläge anlegt und gigantische, die Baumkronen weit überragende, Rotoren errichtet. Da wird der Tod in einer bisher relativ sicheren Sphäre zu einem Alltagsphänomen und zum Albtraum des Artenschutzes.

Perfide ist, wenn Menschen in sogenannter Liebhaberei Vögel frei lebender Arten einfangen und diese Opfer in Käfigen zu ihrem persönlichen Ergötzen oder auch aus Profitgründen halten. Auch hier sind es wieder Millionen von Vögeln, die in Volieren ihr Dasein fristen. Manchmal werden dann Nachkommen herangezüchtet, häufig jedoch sind es aus freier Wildbahn – meist illegal – gefangene Exemplare, die da in Obhut der Vogelhalter stehen. Manipulierte Fußringe, die den gesetzlichen Bestimmungen der Haltungsbeschränkungen dienen und Überprüfbarkeit garantieren sollen, machen den Wildfang zur „Nachtzucht“.

Je seltener eine Art, je höher ihr Schutzstatus, umso höher der Wert eines Individuums. Vögel aus aller Herren Länder finden sich da und der Handel mit ihnen bringt den Händlern und angeblichen Züchtern hohe Gewinne. Es verlangt ein gieriger Schwarzmarkt nach immer mehr „Ware“. Bis zu 80% betragen bei der Plünderung freilebender Vogelbestände die Verluste auf dem Wege vom Tatort zum Kunden. Schmerzen, Leiden und Tod der gefiederten Opfer sind da allgegenwärtig, wenn es um die Befriedigung der Nachfrage geht. In der neben den Niederlanden und Belgien insbesondere Deutschland ein ganz besonders unrühmliches und als solches weltweit führendes Täterland abgibt.

Nicht minder ist die nach wie vor weit verbreitete Vogelstellerei, vor allem rund um das Mittelmeer. Mit großen feinmaschigen Netzen oder mit Leimruten werden in vielen Ländern, leider aber auch innerhalb der EU alljährlich viele Millionen Vögel gefangen. Nach der EG-Vogelschutzrichtlinie von 1979 ist der Fang der Vögel mit Netzen, Fallen, Schlingen und Leimruten untersagt. Der Europäische Gerichtshof hat dies in Verfahren gegen Italien, Spanien und andere bestätigt. Diese Fanggeräte fangen nicht selektiv; es werden auch Exemplare anderer geschützter Arten darin gefangen, nicht nur jener, die nach jeweils nationalem Recht legal gejagt werden dürfen. Dennoch liegt die Zahl der Opfer in hoher zweistelliger Millionenzahl – allein in den EU-Ländern.

In den spanischen Provinzen Katalonien, Castellon/Valencia wurde dieser Vogelmord weitgehend eingedämmt; das Vogelschutz-Komitee e.V. hat maßgeblichen Anteil, dass dort der Vogelfang mit Leimruten in den großen „Barracas“ genannten Fanganlagen praktisch zum Erliegen gekommen ist. Seit ein paar Jahren greifen Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichte durch. Aber in Frankreich, Italien, Malta, Griechenland, Balkan und Zypern (abgesehen von den Nicht-EU-Staaten wir Ägypten) geht es weiter. In Zypern allerdings ist dank der massiven Schritte gegen die Vogelwilderer die Sache stark reduziert. Anhand der Zahlen von uns aufgespürten und unschädlich gemachten Vogelfangnetzen und Leimruten dürfte sich der Umfang auf vielleicht 10% dessen belaufen, was da noch vor knapp zehn Jahren stattfand. Aber, noch immer werden mehrere Millionen Vögel in der fast ganzjährig praktizierten Wilderei auf dem Durchzug gefangen und als „Delikatesse“ auf dem schwarzen Markt lukrativ verscherbelt. Die Mönchsgrasmücke gilt als „Kaviar“ Zyperns, und ein einziges solchesOpfer bringt dem Wilderer etwa 4 Euro ein. Wen wundert es, dass da einige Berufskriminelle ihr Unwesen treiben? Zu Lasten der Bestände durchziehender Vögel, die auf Grund weitentwickelter technischer Hilfsmittel wie elektronische Lockgesänge und hoher Mobilität der Wilderer mit Kraftfahrzeugen stärker dezimiert werden als je zuvor. Es ist noch ein langer Weg, auch diese Opferzahlen Vergangenheit werden zu lassen; noch immer findet das Vogelmassaker alljährlich in viel zu vielen Gebieten statt. Die Vögel erfahren viele Bedrohungen, unter denen zweifelsfrei die grassierende Lebensraumzerstörung maßgeblich wirkt. Tagtäglich in ungeheurem Ausmaß. Umso wichtiger ist es, auch dort direkt einzugreifen und Vögel wirksam zu schützen, wo akute Verfolgungsie zuOpfernwerden lässt. Deshalb gehen wir unermüdlich gegen die Vogelwilderei vor und wir treten wir ein für das Leben der Vögel frei von allen jagdlichen Nachstellungen.

Diplom-Biologe, Dr. Eberhard Schneider  
Präsident des Vogelschutz-Komitee e. V.


Einwand etwa zur Art Wechselblatt-Wasserpest- oder andere

Einwand etwa zur Art Wechselblatt-Wasserpest- oder andere:


Gute Gründe sprechen dafür, die Einwanderung fremder Organismen zu akzeptieren. Zumindest in Schutzgebieten und ähnlichen Vorrangflächen für natürliche Habitatentwicklung und Entwicklung der Biodiversität können diese Ziele nur erreicht werden, wenn auch der natürlichen Integration von Neobiota keine Beeinträchtigung durch Eingriffe zuteilwird. Es gibt keine Gründe für ein generelles Vorgehen gegen Neophyta. Die von der EU vorgesehenen Management- und Bekämpfungsmaßnahmen gegenüber Neobiota aller Arten sind untauglich und entbehren jeder realistischen Perspektive. Sie sind ausschließlich zu beschränken auf Einzelfälle, in denen es gilt, schwere wirtschaftliche Schäden abzuwehren, sofern der Betroffene mit einer von ihm anzustellenden Prävention erfolglos blieb. Schutzgebiete und andere ökologische Vorranggebiete sind wegen Sicherstellung der im Zeichen des Klimawandels dringen notwendigen natürlichen Entwicklung der Ökosysteme grundsätzlich von den Maßnahmen auszuschließen. Inseln stehen in einer ökologischen Sonderrolle. Sie bedürfen eines besonderen Augenmerks und möglichst des Fernhaltens von Neobiota . Begründung: Die von der EU geforderten Managementmaßnahmen nach Artikel 19 der EU-Verordnung Nr. 1143/201, der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2016/1141 sind als anachronistisch und wirklich-keitsfern anzusehen. Die Inhalte entbehren jeder modernen Aktualität evolutionsbiologischer Erkenntnisse und deren zeitgemäßer Umsetzung. Die grundlegende restriktive Haltung gegenüber Neobiota und die überkommene Zielsetzung des generellen Schutzes bodenständiger, meist einseitig präferierter, Arten vor jeglicher evolutionärer Herausforderung durch interspezifische Konkurrenz lässt den Mangel an Akzeptanz und Einsicht in die Erfordernis zukunftsweisender biologischer Abläufe erkennen. Die angestrebten Management- und Bekämpfungsabsichten beinhalten die Fortschreibung antiquierter und vielfach unrealistischer und bereits als untauglich erwiesener Maßnahmen. Sie setzen die der Biodiversität schädliche Überformung der evolutiven und ökosystemaren Entwicklungen fort und sind dazu angetan, die angestrebte Erhaltung und Förderung der Biodiversität schwerwiegend zu belasten. Sie verhindern, dass bodenständige Lebensgemeinschaften, die sich durch natürliche Prozesse ohne menschliche Einflussnahme weiter formen und dem Schutz solcher Prozesse in der Biodiversität dienen; oder sich zu überlebensfähigen Populationen mit Adaptationsvermögen gegenüber den klimatischen Veränderungen die fort zu entwickeln. Die Forderung nach Maßnahmen verkennt völlig, dass eine wesentliche treibende Kraft hinter der rezenten Ausbreitung von Neobiota als Geschehen im Rahmen der Globalisierung zu einem längst nicht mehr beherrschbaren Phänomen wurde. Die Neubesiedlung von Lebensräumen durch gebietsfremde Spezies ist ein natürlicher Vorgang, der z. B. in der Anemochorie und Zoochorie u. a. natülich bedingten Abläufe, etwa auch Verdriftung durch Gewässer, seine tragenden Vektoren hat. Pilzsporen, Pflanzensamen, fliegende Insekten u.a. werden z. B. durch Wind über große Entfernungen transportiert. Nicht zuletzt kommt seit Jahrtausenden der anthropogenen Verschleppung und ge-zielter Verbreitung von fremden Organismen im Rahmen von Human-Migration und Warenhandel besondere Bedeutung zu, die zukünftiger weltweiter Verschleppung von Neobiota Vorschub leisten. Ehemals in mitteleuropäische Regionen eingetauchte Neobiota haben, sofern sie in den nach der anthropogenen Überformung in den sich neu entwickelnden Ökosystemen und Biozönosen konkurrenzfähig waren und eine ihnen zufallende ökologische Aufgabe wahrnehmen konnten, sich etabliert und wurden Bestandteil des Biodiversitätsgefüges. Die nach der Waldrodung entstandenen Lebensgemeinschaften der mitteleuropäischen Agrozönosen wurden wesentlich durch, in der Mediterraneis oder in den osteuropäisch-asiatischen Steppengebieten ursprüngliche, immigrierte oder eingeschleppte, Neobiota geformt. Bei Verfügbarkeit freier Nischen haben sich jene Offenlandbewohner co-evolutiv integriert. Ihnen ist ein Großteil der heutigen heimischen Biodiversität geschuldet. Erfahrungen mit Neobiota, die in anderen Teilen der Erde gemacht wurden, sind nicht zwingend auf die Verhältnisse des europäischen Kontinents übertragbar. Insbesondere die oftmals negativen Auswirkungen auf die Artenausstattung isolierter Lebensräume (wie z. B. die der ozeanischen Inseln) mit begrenzter Nischenverfügbarkeit im jeweiligen Ökosystem und fehlender Adaptation dort endemischer Arten in der interspezifischen Konkurrenz, gelten nicht für unsere Lebensräume. Das Eingreifen zur Eliminierung von Neobiota, das mit aller Wahrscheinlichkeit wiederholte Maßnahmen erfordert und absehbar bei einigen bereits etablierten Spezies generell erfolglos bleiben wird, ist in mitteleuro päischen Biozönosen nicht geboten. Vielmehr gehen derartige Eingriffe gegenüber der Zielsetzung der Erhaltung der Biodiversität mit diesen Zielen nicht konform. Die anthropogene Überformung behindert die interspezifischen Auseinandersetzungen der heimischen Arten mit den neuen Spezies. Letztgenannte werden in den Fällen des Fehlens eines ökologischen Funktionsbereichs für die neue Art in der Konkurrenz unterliegen und untergehen. Bei Verfügbarkeit eines adaptierten Funktionsbereichs hingegen bedarf es der ungestörten co-evolutiven Weiterentwicklung des gesamten interspezifischen Beziehungsgefüges. Eingriffe schädigen dabei mehr als sie nützen und sie verschaffen der neuen Art, wenn sie sich bereits auf geringem Populationsniveau etabliert hat, eher eine Dominanz im Artengefüge. Auf dem Festland sind bei bereits weiter Verbreitung des Fremdlings (anders als auf Inseln) dem Erfolg von Managementmaßnahmen Grenzen gesetzt. Sofern sich die Art adaptieren und einnischen kann und die ökologische Situation der Habitate sie begünstigt, wird sie diese Maßnahmen überdauern und später wieder in Erscheinung treten. Jede Bestandsreduktion, bei der ein Restbestand verbleibt, bewirkt in der Regel eine Erhöhung der Reproduktion. Wenn es sich also nicht um eine lokal begrenzte Startpopulation handelt, die innerhalb kürzester Frist und vor der nachfolgenden Reproduktionsphase restlos eliminiert werden kann, bewirkt die aus dem Eingriff resultierende Verringerung innerartlicher Konkurrenz, die Steigerung der Reproduktionsrate des Fremdlings. Binnen Kurzem wird der durch den Eingriff erfahrene Bestandsverlust ausgeglichen und die Lebensraumkapa zität (carrying capacity) ausgefüllt. Wie alle Arten, ist die in der Primärproduktion stehende Vegetation vorrangig gezwungen, sich an die neuen Bedingungen im Klimawandel anzupassen. Dies wird aber nicht ohne Verschiebungen der Artenspektren geschehen, und zwangsläufig auch die Zuwanderung von gebietsfremden, an die neuen ökologischen Bedingungen besser adaptierten, Arten einschließen. Diese werden sich bei Speziell die Neophyten siedeln sich aller Erfahrung nach vorrangig in Lebensräumen an, die anthropogen überformt sind und in denen das ursprüngliche Artengefüge beeinträchtigt ist. Dabei besteht eine direkte Korrelation zwischen ihrer Häufigkeit und dem Maß, in dem solche Lebensräume anthropogen geprägt sind. In naturnahen Lebensräumen treten sie eher in Pionier- und frühen Sukzessionsstadien auf und werden im weiteren Verlauf der Sukzession erfahrungsgemäß wieder verdrängt. Nur wenige Neophyten konnten sich bisher in ausgereiften natürlichen Lebensräumen etablieren. Unter diesem Aspekt erübrigt sich ein Management von Neobiota in Schutzgebieten oder in der natürlichen Sukzession belassenen Lebensgemein schaften. Den Neophyten kommt eher eine Weiserfunktion für die Adaptations-fähigkeit der heimischen Biozönose und ihres Funktionszustandes in der inter-spezifischen Auseinandersetzung und zur co-evolutiven Entwicklung zu. Es gibt keine Gründe für ein generelles Vorgehen gegen Neophyta. Eine durch Neophyten bedingte etwaige Veränderung der Vegetation, und nachfolgend der Fauna, widerspricht keineswegs dem Grundgedanken der Erhaltung der Biodiversität. Die Entwicklung solcher Gebiete mit Neophytenbestand soll ergebnisoffen ablaufen. Die sich einstellenden Vegetationstypen müssen in ihrer Artenzusammensetzung keineswegs jenen aus vergangenen Epochen entsprechen. Eine unter dem Diktat des Klimawandels an die neuen Umweltbedingungen angepasste Vegetation und Fauna kann wichtige Impulse z. B. für eine an die neuen Verhältnisse angepasste Forstwirtschaft, Landnutzung für und erfolgreiche neue Naturschutzstrategien liefern. Wir schlagen daher vor, dass jedenfalls Schutzgebiete und andere ökologische Vorranggebiete von Managementmaßnahmen gegen Neobiota grundsätzlich freigehalten werden. Um gegebenenfalls einer unerwünschten Ausbreitung in die wirtschaftlich genutzte Kulturlandschaft entgegenzuwirken, könnten wirksame Maßnahmen zur Prävention schwerer wirtschaftlicher Schäden in speziellen Managementzonen eingerichtet werden. Grundsätzlich sind die wissenschaftliche Dokumentation der Managementmaßnahmen und die Erfolgskontrolle zu gewährleisten. Unerlässlich ist die Festsetzung des maximalen Zeitraums der Maßnahme, um einer Verselbständigung und Dauerhaftigkeit, vorzubeugen.