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Einwand zur Art Nutria:

Gute Gründe sprechen dafür, die Einwanderung fremder Organismen zu akzeptieren. Zumindest in Schutzgebieten und ähnlichen Vorrangflächen für natürliche Habitatentwicklung und Entwicklung der Biodiversität können diese Ziele nur erreicht werden, wenn auch der natürlichen Integration von Neobiota keine Beeinträchtigung durch Eingriffe zuteilwird. Nicht selektive Eingriffe einer Bekämpfung zerstören sowohl die Altersstruktur als auch die Sozialstruktur. Das hat im Ergebnis eine Erhöhung der Reproduktionsrate und eine Steigerung der Zuwachsrate zu Folge und verfehlt das Ziel der Maßnahme. Generelle Maßnahmen gegenüber Neozoen sind nicht gerechtfertigt. Die von der EU vorgesehenen Management- und Bekämpfungsmaßnahmen gegenüber Neobiota aller Arten sind untauglich und entbehren jeder realistischen Perspektive. Sie sind ausschließlich zu beschränken auf Einzelfälle, in denen es gilt, schwere wirtschaftliche Schäden abzuwehren, sofern der Betroffene mit einer von ihm anzustellenden Prävention erfolglos blieb. Schutzgebiete und andere ökologische Vorranggebiete sind wegen Sicherstellung der im Zeichen des Klimawandels dringen notwendigen natürlichen Entwicklung der Ökosysteme grundsätzlich von den Maßnahmen auszuschließen. Inseln stehen in einer ökologischen Sonderrolle. Sie bedürfen eines besonderen Augenmerks und möglichst des Fernhaltens von Neobiota . Begründung: Die von der EU geforderten Managementmaßnahmen nach Artikel 19 der EU-Verordnung Nr. 1143/201, der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2016/1141 sind als anachronistisch und wirklichkeitsfern anzusehen. Die Inhalte entbehren jeder modernen Aktualität evolutionsbiologischer Erkenntnisse und deren zeitgemäßer Umsetzung. Die grundlegende restriktive Haltung gegenüber Neobiota und die überkommene Zielsetzung des generellen Schutzes bodenständiger, meist einseitig präferierter, Arten vor jeglicher evolutionärer Herausforderung durch interspezifische Kon-kurrenz lässt den Mangel an Akzeptanz und Einsicht in die Erfordernis zukunftsweisender biologischer Abläufe erkennen. Die angestrebten Management- und Bekämpfungsabsichten lassen die Einbeziehung populationsbiologischer und populationsökologischer Parameter vermissen. Sie beinhalten allenfalls die Fortschreibung antiquierter und vielfach unrealistischer oder bereits als untauglich erwiesener Maßnahmen. Sie setzen die der Biodiversität schädliche Überformung der evolutiven und ökosystemaren Entwicklungen fort und sind dazu angetan, die angestrebte Erhaltung und Förderung der Biodiversität schwerwiegend zu belasten. Sie verhindern, dass bodenständige Lebensgemeinschaften, die sich durch natürliche Prozesse ohne menschliche Einflussnahme weiter formen und dem Schutz solcher Prozesse in der Biodiversität dienen; oder sich zu überlebensfähigen Populationen mit Adaptationsvermögen gegenüber den klimatischen Veränderungen die fort zu entwickeln. Die Forderung nach Maßnahmen verkennt völlig, dass eine wesentliche treibende Kraft hinter der rezenten Ausbreitung von Neobiota als Geschehen im Rahmen der Globalisierung zu einem längst nicht mehr beherrschbaren Phänomen wurde. Die Maßnahmen gegen Neobiota sind als im Ergebnis perspektivenlos aktionistisch zu werten. Sie lenken lediglich von der Problematik der aus den globalen Warenströmen und den weltumspannenden Menschenaktivitäten resultierenden Verschleppung von Organismen ab. Die Neubesiedlung von Lebensräumen durch gebietsfremde Spezies ist ein natürlicher Vorgang, der z. B. in der Anemochorie und Zoochorie u. a. natürlich bedingten Abläufen, etwa auch Verdriftung durch Gewässer, seine tragenden Vektoren hat. Pilzsporen, Pflanzensamen, fliegende Insekten u.a. werden z. B. durch Wind über große Entfernungen transportiert. Nicht zuletzt kommt seit Jahrtausenden der anthropogenen Verschleppung und gezielter Verbreitung von fremden Organismen im Rahmen von Human-Migration, kriegerischen Invasionen o.ä. und globalem Warenhandel besondere Bedeutung zu. Derartige Vektoren leisten generell auch der zukünftigen weltweiten Verschleppung von Neobiota Vorschub. Ehemals in mitteleuropäische Regionen eingetauchte Neobiota haben, sofern sie in den nach der anthropogenen Überformung in den sich neu entwickelnden Ökosystemen und Biozönosen konkurrenzfähig waren und eine ihnen zufallende ökologische Aufgabe wahrnehmen konnten, sich etabliert und wurden Bestandteil des Biodiversitätsgefüges. Die nach der Waldrodung entstandenen Lebensgemeinschaften der mitteleuropäischen Agrozönosen wurden wesentlich durch, in der Mediterraneis oder in den osteuropäisch-asiatischen Steppengebieten ursprüngliche, immigrierte oder eingeschleppte, Neobiota geformt. Bei Verfügbarkeit freier Nischen haben sich jene Offenlandbewohner co-evolutiv integriert. Ihnen ist ein Großteil der heutigen heimischen Biodiversität geschuldet. Erfahrungen mit Neobiota, die in anderen Teilen der Erde gemacht wurden, sind nicht zwingend auf die Verhältnisse des europäischen Kontinents übertragbar. Insbesondere die oftmals negativen Auswirkungen auf die Artenausstattung isolierter Lebensräume (wie z. B. die der ozeanischen Inseln) mit begrenzter Nischenverfügbarkeit im jeweiligen Ökosystem und fehlender Adaptation dort endemischer Arten in der interspezifischen Konkurrenz, gelten nicht für unsere Lebensräume. Das Eingreifen zur Eliminierung von Neobiota, das mit aller Wahrscheinlichkeit wiederholte Maßnahmen erfordert und absehbar bei einigen bereits etablierten Spezies generell erfolglos bleiben wird, ist in mitteleuropäischen Biozönosen nicht geboten. Vielmehr gehen derartige Eingriffe gegenüber der Zielsetzung der Erhaltung der Biodiversität mit diesen Zielen nicht konform. Die anthropogene Überformung behindert die interspezifischen Auseinandersetzungen der heimischen Arten mit den neuen Spezies. Letztgenannte werden in den Fällen des Fehlens eines ökologischen Funktionsbereichs für die neue Art in der Konkurrenz unterliegen und untergehen. Bei Verfügbarkeit eines adaptierten Funktionsbereichs hingegen bedarf es der ungestörten co-evolutiven Weiterentwicklung des gesamten interspezifischen Beziehungsgefüges. Eingriffe schädigen dabei mehr al sie nützen und sie verschaffen der neuen Art, wenn sie sich bereits auf geringem Populationsniveau etabliert hat, eher eine Dominanz im Artengefüge. Auf dem Festland sind, bei bereits weiter Verbreitung des Fremdlings (anders als auf Inseln), dem Er-folg von Managementmaßnahmen Grenzen gesetzt. Sofern sich die Art adaptieren und einnischen kann und die ökologische Situation der Habitate sie begünstigt, wird sie diese Maßnahmen überdauern und später wieder in Erscheinung treten. Jede Bestandsreduktion, bei der ein Restbestand verbleibt, bewirkt in der Regel eine Erhöhung der Reproduktion. Wenn es sich also nicht um eine lokal begrenzte Startpopulation handelt, die innerhalb kürzester Frist und vor der nachfolgenden Repro-duktionsphase restlos eliminiert werden kann, bewirkt die aus dem Eingriff resultierende Verringerung innerartlicher Konkurrenz, im Ergebnis die Steigerung der Reproduktionsrate des Fremdlings. Binnen Kurzem wird der durch den Eingriff erfahrene Bestandsverlust ausgeglichen und die Lebensraumkapazität (carrying capacity) ausgefüllt. Wie alle Arten, ist die in der Primärproduktion stehende Vegetation vorrangig gezwungen, sich an die neuen Bedingungen im Klimawandel anzupassen. Dies wird aber nicht ohne Verschiebungen der Artenspektren geschehen, und zwangsläufig auch die Zuwanderung von gebietsfremden, an die neuen ökologischen Bedingungen besser adaptierten, Arten einschließen. Speziell die Neozoen siedeln sich eher in Lebensräumen an, die anthropogen überformt sind und in denen das ursprüngliche Artengefüge beeinträchtigt ist. Dabei besteht eine direkte Korrelation zwischen ihrer Häufigkeit und dem Maß, in dem solche Lebensräume anthropogen geprägt sind. Lern- und Anpassungsfähigkeit lassen höhere Tiere zumeist in urbanen Gebieten erfolgreich sein. Unter diesem Aspekt erübrigt sich ein Management von Neozoa in Schutzgebieten oder in der natürlichen Sukzession belassenen Lebensgemeinschaften. Es gibt keine Gründe für ein generelles Vorgehen gegen Neozoen außerhalb der urbanen Lebens-stätten, wo es eher eines Managements des Umganges der Menschen mit den Tieren bedarf. Eine durch Neozoen bedingte etwaige Veränderung der Vegetation, und nachfolgend der Fauna, widerspricht keineswegs dem Grundgedanken der Erhaltung der Biodiversität. Die Entwicklung solcher Gebiete mit Neozoenbestand soll ergebnisoffen ablaufen. Die sich einstellenden Lebensgemeinschaften müssen keineswegs in ihrer Artenzusammensetzung jenen aus vergangenen Epochen entsprechen. Eine unter dem Diktat des Klimawandels an die neuen Umweltbedingungen angepasste Vegetation und Fauna kann und muss wichtige Impulse z. B. für eine an die neuen Verhältnisse an-gepasste Forstwirtschaft, Landnutzung für und erfolgreiche neue Naturschutzstrategien liefern. Neozoa bleiben erfolgreich, wenn sie in durch anthropogene Überformung bestimmte Biozönosen gelangen (etwa auch durch Aussetzung) oder wenn sie eine zuvor nicht besetzte freie Nische vor-finden. Sofern sie auf eine bodenständige Schwesternart treffen, gegenüber der sie sich als konkurrenzstärker erweisen (Beispiel: Amerikanischer Biber Castor canadenis vs. Europäischer Biber Castor fiber) dominieren sie. Der ebenfalls nordamerikanische Bisam (Ondatra zibethicus) fand neben dem Europäischen Biber eine freie Nische und konnte sich in weiten Teilen des europäischen Kontinents weithin etablieren. Irgendwelche bedeutsamen ökologischen Nachteile sin daraus nicht erwachsen. Alle aufwändigen und kostenträchtigen Bisam-Bekämpfungsmaßnahen haben der erfolgreichen Besiedlung keinen Einhalt geboten, diese aber vermutlich eher begünstigt. Neobiota gehen in der Regel nach einer anfänglich invasiven Phase in ihren Beständen zurück und verschwinden wieder. Oder sie besetzen freie Planstellen und fügen sich in die Biozönose und das Ökosystem ein. Eine Bekämpfung kann man sich deshalb entweder von vorneherein ersparen oder sie von einem gewissen Zeitpunkt an aussetzen. Angesichts des einerseits erheblichen Aufwands für derartige Managementmaßnahmen und andererseits chronisch knapper Naturschutzmittel ist es im Sinne eines sparsamen Umgangs mit den verfügbaren Mitteln wichtig, dies frühzeitig zu erkennen. Auch unter diesem Aspekt ist es eher geboten, Eingriffe zu unterlassen vollständig verzichtet wird. Insbesondere bei Säugetieren (z.B. Waschbär, Nutria) tragen Sympathien in der Menschen-bevölkerung maßgeblich zum Fortbestand des Neozoons bei. Die Zufütterung etwa wirkt dem bestandsregulierenden Effekt des natürlichen Nahrungsangebots entgegen. Wir schlagen daher vor, dass jedenfalls Schutzgebiete und andere ökologische Vorranggebiete von Managementmaßnahmen gegen Neobiota grundsätzlich freigehalten werden. Um gegebenenfalls einer unerwünschten Ausbreitung in die wirtschaftlich genutzte Kulturlandschaft entgegenzuwirken, könnten wirksame Maßnahmen zur Prävention schwerer wirtschaftlicher Schäden in speziellen Managementzonen eingerichtet werden. Grundsätzlich sind die wissenschaftliche Dokumentation der Managementmaßnahmen und die Erfolgskontrolle zu gewährleisten. Unerlässlich ist die Fest-setzung des maximalen Zeitraums der Maßnahme, um einer Verselbständigung und Dauerhaftigkeit, wie im Fall der zu einer extensiven Pelztierwirtschaft missratenen „Bisambekämpfung“, vorzubeugen.

Gegen die Nutria gerichtete Bekämpfungsmaßnahmen sind weithin erlässlich: Die im subtropischem / gemäßigtem Klima Südamerikas ursprüngliche Nutria wurde aus pelzwirtschaftlichen Gründen seit ca. 1890 in Europa mehrfach eingeschleppt; aus Pelztierfarmen kamen dann zahlreiche Exemplare frei, die nachfolgen immer wieder eine Aufstockung entstandener Wild- vorkommen bewirkten. Die Nutria hat sich im gemäßigten europäischen Klimabereich weithin, aber mit relativ geringer Siedlungsdichte, etabliert. Eine rasante Verbreitung fand, trotz relativ hoher Reproduktionsrate, allerdings nicht statt. Mitteleuropa bietet kein optimales Klima. Lokale Bestände brechen zumeist wenige Jahre nach einer Ansiedlung wieder zusammen. Winter mit längerer Kälteperiode und Eisbildung auf den Gewässern stellen einen maßgeblichen Faktor der Bestandsregulation dar. Nutrias überdauern Kälteeinbrüche nicht, die winterbedingte Nahrungsverknappung führt zu Schwächung und Tod der physiologisch nicht an den natürlichen Nahrungsengpass adaptierten Nutrias. Lokale Populationen sind kurzlebig und in weiten Gebieten nicht dauerhaft etabliert. Gehäuftem Auftreten steht das territoriale Verhalten der eher standorttreuen, nicht zum Umherstreifen neigenden, Nutrias entgegen. Im urbanen Bereich ist die Ansammlung in Familienverbänden anthropogen bedingt durch vorsätzliche Zufütterung. Die aus Pelztierhaltungen entkommenen, dort durch die züchterische Selektion nachhaltig an die Nähe zum Menschen angepassten und deshalb wenig scheuen, ehemaligen Farmtiere bzw. deren Nachkommen, können infolgedessen eine natürliche Nahrungsknappheit ausgleichen und den verfügbaren urbanen Lebensraum ausfüllen. Eine dauerhafte Beschädigung natürlicher Pflanzenbestände in intakten Biotopen ist bestenfalls als ein äußerst marginales Phänomen einzustufen. Ursachen fehlender Regeneration der Pflanzen sind da eher anderweitig zu suchen als in der Nutria. Diese ist jedoch in der zwischenartlichen Konkurrenz dem Bisam überlegen, was die Nutzung von Futterpflanzen relativiert. Gleichermaßen ergibt sich aus der lokalen Verdrängung des Bisam eine Relativierung hinsichtlich irgendwelcher Beschädigung von Gewässerufern o.ä. infolge der Miniertätigkeit. Das Graben von Wohnbauen pp. ist aus vielerlei ökologischen Gründen (Bodendurchlüftung, Wasserdrainage im Wurzelraum , Wohnstätte für andere Tiere) eher nützlich und wünschenswert. Im Winter stellen geschwächte Tiere geeignete Beute für insbesondere Seeadler u.a. Beutegreifer dar. An durch die Miniertätigkeit als gefährdet erscheinenden Uferbereichen lässt sich dem Graben von Erdhöhlen vorbeugen mit einer aufgelegten Abdeckung aus Drahtgeflecht. So wie sich irgendwelche Feldfrüchte durch eine Einzäunung sichern lassen. Es besteht somit auch aus vermeintlichen wirtschaftlichen Gründen kein Anlass zu irgendeinem Eingriff in den Nutriabestand. Abschuss und Fang wirken eher kontraproduktiv weil sie den innerartlichen Regulationsmechanismen entgegenstehen und eher eine Steigerung der Reproduktion und der Überlebensrate der verbleibenden Individuen zur Folg haben. Abschuss und Fang bergen auch das Risiko, dass andere Arten (Biber, Fischotter) Opfer des Eingriffs werden. Lokal kann unerwünschtem Bestandswachstum durch Sterilisation (Vasektomie) von, in tierschutzkonformen Lebendfallen eingefangenen und später wieder freizulassenden, Nutrias Einhalt geboten werden.