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Linum 15.10.12
Einen wahren Massenansturm erlebt das Obere Rhinluch und das Wiesen- und Teichgebiet bei Linum derzeit. Massenansturm einmal durch Besucher, aus nah und fern: Bürgerinnen und Bürger, ob jung ob alt, aus der nahe gelegenen Hauptstadt oder aus allen Teilen der Republik, Fotografen, Filmemacher usw. erleben in diesen Tagen die wunderbaren Bilder des Vogelzugs.

Die routinemäßige "Zählung" am 09.10. ergab ca. 25 tausend Kraniche (Vorwoche ca. 26 tsd), da war wohl zunächst eine Stagnation im Zug eingetreten. Aber seit dem 11./12.10.findet ein deutlich sichtbarer Zuzug statt. Man kann beim morgendlichen Ausflug aus den Schlafplätzen im Teichland - den vom VsK "kranichgerecht" eingestellten Teichen und den benachbarten Wiesen, die eigens für die Kraniche übernachtungsgerecht mit Wasser aus dem Teichgebiet geflutet wurden - die zahlenmäßige Entwicklung des Rastbestandes ebenso gut nachvollziehen wie beim Abendeinflug. Die Schwärme, die schon vor sieben Uhr morgens in geringer Flughöhe ihren Nahrungsplätzen zustreben, sind um ein Vielfaches größer als vor etwa zwei Wochen als Kleingruppen dominierten.

Nun sind es zehntausende der großen grauen Vögel, deren Rufe die Gegend erfüllen und die in teilweise sehr großen Verbänden in meist geordneter Keil-Formation ihrem Ziel zustreben. Der morgendlich Ausflug zieht sich über mehr als zwei Stunden hin - es bleiben aber auch zahlreiche Vögel tagsüber auf den Schlaf- und Ruheplätzen. Aber die besonders hungrigen drängt es, Energiereserven aufzubauen. Für viele Altvögel gilt es auch noch, dringend die Gefiedermauser zu absolvieren. Die Lücken im Flügelgefieder sind oftmals sichtbar. Die Hauptnahrungsflächen finden sich auf den nun zumeist abgeernteten Maisfeldern der näheren oder weiteren Umgebung; manche Schwärme ziehen wohl bis in´s südlich gelegene Havelluch (bei Rathenow usw)..

Etwa 50.000 bis 60.000 Kraniche dürften es wohl sein, die derzeit den internationalen "Trittstein" im Vogelzug bevölkern; etwa 30% verlassen diesen jeweils morgens zur Nahrungssuche in Richtung Nord bis Ost, die großen Scharen aber ziehen in die südliche Umgebung - und kehren mit Sonnenuntergang zurück.

Aber nicht nur die "Vögel des Glücks" sind im "Massenansturm" - auch die wilden Gänse haben deutlich zugelegt. Leider geht ihre Präsenz sehr unter der Dominanz des "Kranichtums" unter. Aber vor allem die Blessgänse, die aus dem Bereich der Barentssee mit dem Butgebiet auf der großen Insel Koguljev (s. auch www.blessgans.de), haben in den letzten Tagen mächtigen Zuflug zu verzeichnen. So dass wohl der Gesamtbestand der Großvögel im Rhinluch derzeit gut die Hunderttausend oder mehr erreicht haben dürfte.

Der Tagesrhythmus beider Gruppen ist verschieden voneinander. Die Gänse, die zum Ruhen und Schlafen unsere Wasserfächen aufsuchen, fliegen morgens überwiegend etwas später aus als die Kraniche; dann kommen viele Gänse gegen die Mittagszeit zurück und verbringen die Nachmittagsstunden auf dem Wasser. Kurz vor oder mit Beginn des Kranicheinflugs (also derzeit gegen 17 Uhr) streben die Gänse noch einmal den Nahrungsplätzen zu, um dann mit Einbruch der Dunkelheit (od. später) zurück zu kehren.

Der vogelfreundliche Beobachter kann somit von früh bis spät dieses Ereignis des internationalen Vogelzugs erleben. Im Rhinluch kommen diese Vögel aus Regionen am Eismeer und der arktischen Tundra (Gänse) zusammen; die Kraniche kommen (wie beringte Tiere ausweisen) sowohl aus Finnland als auch aus dem Baltikum und Polen zu uns - bevor sie bei Wintereinbruch weiter nach Südwesten ziehen werden.

Dr. E. Schneider