Unser Kommentar: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR): Zwangsmitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft verstößt gegen Menschenrechte (26.06.2012)

Nun ist der mit Spannung erwartete Richterspruch der Großen Kammer des EGMR (Straßburg) mit dem Urteil vom 26. Juni 2012 endlich ergangen. Berufung nicht möglich. Wie schon zuvor in entsprechenden Verfahren gegen Frankreich (Chassagnou et al. Vs. France, 1999, Wirth-Derneden beim VG vs. Luxembourg u.s.w.) hat nun die Große Kammer das zuvor von der Kleinen Kammer gesprochene Urteil kassiert.

Damit haben langwierigen Anstrengungen  - auch des Vogelschutz-Komitee, das bereits seit 1999, u.a. in seinem Tagungsband „Weidwerk in der Zukunft“, die Forderung nach Entscheidungsfreiheit der Grundeigentümer wegen der Zugehörigkeit zu einem Jagdbezirk oder der Jagdruhe auf seinem Eigentum erhoben hat - , ihren krönenden Erfolg erfahren. Die erzwungene Zugehörigkeit stellt einen Eingriff in das Eigentum dar, es nimmt dem Eigentümer die Entscheidungsfreiheit.

Nach dem Richterspruch muss nun die Bundesrepublik Deutschland endlich sein Jagdgesetz reformieren. Die dortige Vorschrift wegen der Zugehörigkeit von Grundflächen zu einem Jagdbezirk und zur Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft als Zwangsgenossenschaft muss nun eine Änderung erfahren. Diese erzwungene Zugehörigkeit stellt die Grundlage des von der deutschen Jägerlobby hoch gepriesenen „Reviersystems“ dar. Jagdbezirke im herkömmlichen Sinn, in denen sich allzu oft die „Jagdausübungsberechtigten wie absolutistische Herrscher gerieren, kann es nicht mehr geben. Das schöne Konstrukt des von Hermann Göring seinerzeit „gezimmerten“ Reichsjagdgesetzes ist in seinem Fundament erschüttert und zerbrochen. Die Allmacht unseliger „Revierinhaber“ ist gebrochen.

Nun ist der Gesetzgeber gefordert. Wozu anzumerken ist, dass ein vom Vogelschutz-Komitee unter Mitwirkung zahlreicher Fachleute ausgearbeiteter Vorschlag für die Neufassung des Bundesjagdgesetzes seinerzeit der damals zuständigen Ministerin Künast (GRÜNE) vorgelegt wurde. Leider hat es die „grüne Politik“ damals nicht geschafft, die Sache sinnvoll anzugehen. – Im Gegenteil!, man hat sich aus der Verantwortung gestohlen und manches im Jagdrecht sogar verschlimmert. Wenn damals der zuständige Staatssekretär Berninger dazu lapidar meinte: “…sollen die Leute doch klagen“…. , dann ist es nun geschehen.

– Ich meine: Das jetzt eingeklagte Urteil ist sehr peinlich für die damalige „Ökologie-Ministerin“. Sie hätte es in der Hand gehabt, ein wirklich ökologisch und am Vorrang von Tier- und Naturschutz orientiertes Jagdgesetz vorzulegen, das insbesondere auch die Rechte der Grundeigentümer wahrt und deren Gewissensentscheidung über die Lust am Töten stellt.

Der Straßburger Richterspruch (der ja womöglich auch auf die zahlreichen „Zwangsmitgliedschaften“ zu übertragen sein könnte???) eröffnet nun jedem Grundeigentümer die Möglichkeit, nach seinem eigenen Gewissen und in der Verantwortung gegenüber den Mitgeschöpfen Zuflucht und Schutz vor jagdlichen Nachstellungen zu gewähren. Dementsprechend wird das Vogelschutz-Komitee für in seinem Eigentum stehende Grundflächen in Deutschland nun das „Fin de Coto“ herbeiführen, so wie wir es auf unseren Fincas in der spanischen Provinz Katalonien bereits realisiert haben. Insgesamt wird dieses Urteil, auch wenn es aus dem Gerichtshof für Menschenrechte stammt, einen wichtigen Fortschritt und Gewinn für den Tierschutz und Naturschutz zeitigen. Die sehr weitreichende Macht der Jägerei über das Schicksal der betroffenen Tierwelt ist massiv eingeschränkt worden.

Urteil vom 20.01.2011 (PDF)


Dr. Eberhard Schneider