Martin Sieber vom 28. Februar 2008

Schwan vor Liebespaar gerettet


img_1062_ctBereits im Frühsommer 2007 erfuhren wir von Vogelliebhabern aus Göttingen, dass ein einsamer nicht flugfähiger Höckerschwan am Wendebach-Stausee südlich von Göttingen ausgesetzt wurde. Zuvor war er bereits von einem Regenrückhalte-Tümpel in Gö.–Geismar nach dorthin umgesiedelt worden, weil man davon ausging, dass das Regenwasserbecken kein geeigneter Ort für den Schwan sei. Wie der Schwan - von seinen “Pflegeeltern” “Frieda” genannt - dorthin gekommen war, ist uns unbekannt.
Das Göttinger Ehepaar nahm sich des Vogels an und versorgte das Tier mit eigens beschafftem Spezialfutter; man entfernte mehrmals Angelhaken und dazugehörige Schnüre von Hals und Schwimmhäuten, die den sowieso schon gehandicapten Jungvogel sonst vermutlich getötet hätten. Bei einem Ortstermin wurde der Vogel von Dr. E. Schneider begutachtet. Sein Fazit war, dass es sich um einen Jungvogel des Vorjahres handeln musste. Allerdings war er nicht seinem Alter entsprechend entwickelt. Er wies vielmehr einen Rückstand in Bezug auf seine Gefiederentwicklung und Flugmuskulatur auf. Ferner wurde deutlich, dass ihm die Flugfedern gestutzt worden waren, von denen noch nicht alle durch Mauser ersetzt wurden. Daher wurde befunden, dass der künstliche See aufgrund der Angelei zwar nicht optimal für den Schwan ist, er sich jedoch im Laufe der Zeit sicher davon machen würde, wenn sein Gefieder vollständig gemausert wäre.

img_1069_ctWenig später fand sich sogar ein Artgenosse ein. Alle waren zufrieden. Aber kurze Zeit später wurde der neu hinzugekommene Schwan stark verletzt aufgefunden und von einem Tierarzt untersucht. Dieser stellte fest, dass der Vogel so schwer (durch Menschen !!!) misshandelt worden war, dass der Arzt nur noch die Einschläferung vornehmen konnte. Frieda war wieder allein.

Bis Ende Februar wurden uns keine weiteren Beobachtungen oder Ereignisse mitgeteilt. Am 25.02.2008 wurde uns berichtet, dass sich ein offenbar bereits vermähltes Schwanenpaar am See eingefunden hatte. Die beiden haben wohl befunden, dass es sich bei dem See um einen brauchbaren Brutplatz handeln müsse und begannen sogleich, diesen als ihr Revier zu beanspruchen und entsprechend zu verteidigen. Weil “Frieda” trotz erfolgter Mauser immer noch nicht fliegen kann, fristete sie ihr Dasein am Ufer des Sees, den sie fortan nicht mehr aufsuchen konnte ohne durch Attacken des Paares sofort wieder verjagt zu werden.

Das VsK wurde um Rat und Tat gebeten. Was tun? So konnte es zumindest nicht weiter gehen. Der Höckerschwan ist nach Bundesjagdgesetz ein jagbares Tier. Das Aufsuchen, Nachstellen, Fangen oder Erlegen ist Inhalt des Jagdrechts. Die Aneignung des Wildes, wozu allein der gedankliche Vorgang maßgeblich ist, ist ausschließliche Befugnis des Jagdausübungsberechtigten. Ohne Befugnis stellt sie eine Jagdwilderei dar und ist gemäß §292 StGB strafbar.
Daher unterrichteten wir vorab die zuständige Jagdbehörde (mit der Bitte um Benachrichtigung des Jagdausübungsberechtigten) über unseren Plan, den Vogel an einen geeigneten Teich auf einem Privatgrundstück umzusiedeln. Ausdrücklich ohne Aneignungsabsicht! Mit dem Hinweis auf eine gewisse Dringlichkeit wurde die Angelegenheit entsprechend unbürokratisch geregelt.
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Gesagt - getan: fing unser fachkundige Vogelpfleger Alexander den, gegenüber seinen “Paten”, zutraulichen Schwan ein. Auf den ersten Blick machte der Vogel einen recht gesunden Eindruck. Lediglich die Flugmuskulatur ist nach wie vor unterentwickelt. Was im Wesentlichen daran liegen dürfte, dass diese nicht benutzt wird. Eine anschließende tierärztliche Untersuchung bestätigte den Eindruck. Auch die parasitologische Untersuchung blieb ohne positiven Befund. Es bleibt ein Rätsel, warum dieser Vogel nicht fliegen will.
Wie auch immer. Wir haben den Schwan an einem geeigneten Teich, der sich auf einem privaten Grundstück befindet, ausgesetzt und hoffen sehr, dass er sich dort langfristig und ungestört etablieren kann.



Wir möchten diese Gelegenheit zum Anlass nehmen, auf die wichtigen rechlichen Aspekte hinzuweisen:

Das Aussetzen von hilflosen Tieren ist laut Tierschutzgesetz verboten!
Die seinerzeitige Freilassung des nicht zum Fliegen fähigen Vogels hätte nicht erfolgen dürfen. Zwischenzeitliche Nachstellungen durch Unbekannte mit letztlich tödlichem Ausgang für den Partnervogel wäre als Jagdwilderei zu werten.
Unsere akute Hilfsmaßnahme ist als solche zunächst aus Tierschutzgründen gerechtfertigt.
Sie kann sich aber nur auf die tiermedizinische Versorgung des Vogels und die Sicherung seines Wohlbefindens richten.
Die Entscheidung über den weiteren Verbleib hat der zuständige Jagdausübungsberechtigte zu treffen.