Zum Auftakt des Prozesses gegen die beiden vom VsK zur Anklage gebrachten Vogelhalter berichtet die Neue Westfälische Zeitung:

Eierdiebe stehen in Münster vor Gericht

Zwei Männer sollen jahrelang durch ganz Europa gefahren sein, um Nester seltener Vögel auszurauben
VON HUBERTUS GÄRTNER

Für gewöhnlich werden vor der 9. Strafkammer des Landgerichts Münster schwere Wirtschaftsverbrechen verhandelt. Es geht dann häufig um Täter, die mit Millionensummen hantiert und dabei Untreue und Betrug begangen haben. Mit den Regenpfeiferartigen, auch Limikolen oder Watvögel genannt, hatten es die Richter hier jedenfalls bislang noch nie zu tun. Das ist für sie ein Novum.

Auf der Anklagebank sitzen zwei untersetzte, finster dreinblickende Männer aus Metelen. Sie schweigen. Die Staatsanwaltschaft wirft Robert B. (63) und Hermann T. (59) zahlreiche Verstöße gegen das Bundesnaturschutzgesetz vor. Ihnen drohen längere Haftstrafen. Die beiden mutmaßlichen Täter sollen in der Zeit von 2002 bis 2007 durch ganz Europa gefahren sein, um an entlegenen Orten die Nester seltener und vom Aussterben bedrohter Vogelarten zu plündern. Laut Anklage wurden Eier und Jungvögel anschließend in mit Inkubatoren ausgerüsteten Campingwagen nach Metelen im Kreis Steinfurt transportiert. Von dort wurden die seltenen Vögel dann für teures Geld an Limikolen-Liebhaber in der ganzen Welt verkauft, die sie in Gefangenschaft hielten.

Die Ermittlungen waren im Jahr 2007 ins Rollen gekommen, nachdem an der norwegisch-finnischen Grenze ein Fahrzeug mit zahlreichen Eiern und frischgeschlüpften Watvögeln von der Polizei entdeckt worden war. Die Spur führte nach Metelen im Münsterland. Staatsanwälte und Mitarbeiter des Düsseldorfer Landeskriminalamtes durchsuchten im August 2007 die Grundstücke der beiden Angeklagten.

Was sie bei der Razzia entdeckten, verschlug ihnen die Sprache. Robert B. und Hermann T. hielten etwa 270 geschützte Vögel in ihren Volieren. Vom Odinshühnchen über die Zwergseeschwalbe bis zum Sandregenpfeifer wurden insgesamt 46 verschiedene Arten angetroffen. Manche lagen auch als Kadaver in der Tiefkühltruhe, von anderen Arten fand man lediglich zahlreiche Eier.

Um die Einlassung der Angeklagten, es habe sich um "legale Nachzuchten" gehandelt, eines Tages vor Gericht widerlegen zu können, wurden den Vögeln DNA-Proben entnommen, mit denen man ihre Herkunft und Abstammung bestimmen kann.

"Wir haben in Metelen jede Menge Jungvögel, aber nur wenige Altvögel gefunden", sagte nun der Diplombiologe Peter Barthel (56) als Sachverständiger vor Gericht. Dieses Faktum sei sehr auffällig. Barthel ist ein weltweit anerkannter Ornithologe, und die Limikolen sind sein Spezialgebiet. "Es gibt ungefähr 10.000 Vogelarten auf der Welt", sagt Barthel, aber die Regenpfeiferartigen hätten es ihm ganz besonders angetan. Sie sind eine vielgestaltige Gruppe - Regenpfeifer, Schnepfen, Möwen und Kiebitze zählen beispielsweise dazu.

Die meisten Limikolen seien Zugvögel und "großartige Langstreckenflieger", sagte Barthel. Der Zwergstrandläufer beispielsweise ist nur so groß wie ein Spatz, aber er lebt praktisch in der Luft und legt jedes Jahr zehntausende von Kilometern zurück. Aus Sicht von Barthel grenzt es an Tierquälerei, solche Vögel in einer Voliere zu halten. "Der Zug ist bei ihnen genetisch programmiert", sagte er. Gefangene Zugvögel versuchen wieder und wieder zu starten - und landen jedesmal vor einem Gitter. "Abgebrochene Flügelspitzen und blutige Schnäbel" seien oft die Folge. Auch gebe es weltweit Menschen, die die Eier seltener Vögel sammeln, berichtete Barthel. "Je seltener das Ei ist, je mehr muss man dafür bezahlen", sagte er. Voraussichtlich im April nächsten Jahres will das Landgericht Münster sein Urteil fällen.

Quelle: Neue Westfälische Zeitung